Hallo,
erstmal herzlichen Glückwunsch zur Möglichkeit, in der Psychiatrie zu arbeiten. Ich habe mal in einer Lerngruppe ein paar Stichworte zur psychiatrischen Pflege zusammengeschrieben und Dir ein paar Auszüge hier hineinkopiert.
Du wirst merken, daß zwar viele Ziele auch so für die Somatiker zu unterschreiben sind, aber Du wirst erfahren bei der Arbeit - wie meine Vorredner schon sagten - daß die Wege zum Ziel sich doch manchmal sehr unterscheiden.
Der Schwerpunkt ist halt die "Beziehungspflege", die über das gewohnte Gespräch beim "Waschen" hinausgehen muß in der Psychiatrie.
Du als psychiatrsich Pflegender selbst bist nämlich einer der wichtigsten "Heilmittel" für den Dir anvertrauten Menschen, denn Du baust eine "wirksame und tragbare Beziehung" zu Deinem Gegenüber auf, der an und mit Dir lernt, mit seiner Erkrankung umzugehen.
Das alles ist sehr kurz und es scheint mir unmöglich, daß alles in ein paar Zeilen zu pressen, was psychiatrische Pflege ausmacht. Aber wenn Du in diesen Bereich einsteigst, dann mußt Du es ganz tun und Du wirst eine berufliche Selbstwertigkeit (in der Abgrenzung grad von den anderen Professionen) in diesem Bereich bei Deinen Kollegen (hoffentlich) finden, die oft in der Pflege schon verloren scheint. Nicht umsonst sind viele wirklich große "Revolutionen" in der Pflege und die kritischsten Kollegen aus der Psychiatrischen Pflege gekommen.
Habe auch nochmal etwas zum Thema Pflege im Allgemeinen und Professionalität dazugepackt. Alles bringt aber wenig, wenn Du nicht auch in diesem Bereich Dich selbst zu hinterfragen und reflektieren lernst. Aber grad das ist der Spaß an der Sache und die Chance zu wachsen.
Aber genug der Vorworte, hier mein Material für Dich:
Psychiatrische Pflege
Psychiatrische Pflege ist auch Psychotherapie:
Psychiatrische Pflege ist die Behandlung emotionaler Probleme mit psychologischen Mitteln, wobei mit Bedacht eine Beziehung zum Klienten hergestellt wird. Der Klient soll lernen seine Symptome zu erkennen und sich anders verhalten lernen.
Menschenbild
ZINKER: Den Menschen wie einen Sonnenuntergang so nehmen wie er ist ohne an ihm rumzumäkeln („Das Rot könnte röter sein“); der Mensch ist, wie er ist !
Es ist normal, verrückt zu sein:
- Im Prinzip hat der gesunde Mensch die gleichen Gefühle wie der psychisch Beeinträchtigte; nur sind bei letzterem die Gefühle anders ausgeprägt.
- Abweichungen vom „Normalen“ definieren sich auch über das Setting, z.B. also Familie und Kultur; was in der einen Familie oder Kultur als normal gilt, kann in der anderen eine Abweichung darstellen
- berücksichtigt werden muss auch die multifaktorielle (auch bio-psycho-soziale) Modell; dies bedeutet, dass man nicht nur die Erkrankung, sondern auch ihre Entstehung betrachten muss
- ein Mensch ist krank, wenn er sich krank fühlt, altersgemäße Aufgaben der Entwicklung nicht bewältigen kann oder seine Verhaltensweisen/Anpassungsfähigkeiten nicht ausreichend sind
SAUTER/ABDERHALDEN: In Übereinstimmung mit dem Ethikkodex für Pflegende des internationalen Pflegerates (ICN) „ist Pflege untrennbar von den Menschenrechten, einschließlich des Rechts auf Leben, auf Würde und auf respektvolle Behandlung“. Pflege wird ohne Rücksicht auf das Alter, die Behinderung oder Krankheit, das Geschlecht, den Glauben, die Hautfarbe, die Kultur, die Nationalität, die politische Einstellung, die Rasse oder den sozialen Status ausgeübt.
Aus dem Menschenbild ergibt sich das Krankheitsverständnis als Kränkung.
Krankheitsverständnis
Psychische Erkrankungen sind mit somatischen Erkrankungen gleichzusetzen in ihrer Wertigkeit.
Psychische Krise: Eine psychische Krise ist eine Reaktion auf äußere Ereignisse, bei denen das Individuum unfähig ist mit seinen üblichen Anpassungsmechanismen diese Ereignisse zu bewältigen. Die Belastungssituationen beruhen zumeist auf Konflikten, welche aktuell oder in früheren Zeiten ungelöst sind.
Behandelt man also die Krankheit als Symptom, so werden die äußeren Bedingungen für die Erkrankung vernachlässigt; statt das bio-psycho-soziale Setting zu betrachten betreibt man dann nur eine medizinische Kosmetik an der Krise.
Aus dem Menschenbild ergibt sich das Krankheitsverständnis als Kränkung; es gilt also die Bedingungen zu finden, unter denen dem Betroffenen ein Zurechtkommen mit seiner Erkrankung ermöglicht werden kann. So kann z.B. bei der Schizophrenie eine Herabsetzung der Dekompensationsgrenzen (s. ebd.) eine erneute Phase verhindern.
Der Krankheitsbegriff in der Psychiatrie ist abhängig vom
- Krankheitsverständnis
- von der Arbeit- und Leistungsfähigkeit/Genußfähigkeit (Workoholic und BurnOut)
- gesellschaftlicher Interpretation
- Kulturkreis
- soziale Schicht
- Zeitgeist und Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis
- familiären Unterschieden
und von
- von objektiven Kriterien (Diagnostik und deren Möglichkeiten)
- von subjektiven Kriterien (Leidensdruck – eben nicht vorhanden bei Manikern)
und nach FREUD - als Verbindung zwischen Schuld und Erkrankung gelöst worden, jedoch beim Klienten noch vorhanden - von
- Unwillkürlichkeit
- Unterbewußtsein
Professionelle Pflege
Definition „Pflege“ der ANA (American Nurses Association) von 1980/1995:
Pflege ist die Diagnose und Behandlung menschlicher Reaktionen auf vorhandene oder potenzielle Gesundheitsprobleme.
Die ANA-Definition stellt dar, wie die Medizin und die Pflege sich unterscheiden. Während die Medizin Krankheitssymptome und Krankheiten feststellt, diagnostiziert und die Ursachen und Symptome der Krankheiten mit therapeutischen Interventionen beeinflusst geht es in der Pflege darum Krankheitsfolgen und Reaktionen auf Krankheit, gesundheitliche Gefährdungen und Vulnerabilität festzustellen und mit pflegerischen Interventionen zu beeinflussen.
Definition „Professionalität“:
- Bis heute gibt es keine anerkannte einheitliche Definition des Begriffes Professionalität. Ursprünglich bedeutet der Begriff „Profession“ Bekenntnis oder Versprechen (16. Jahrhundert). im 19.-20. Jahrhundert entstanden zunehmend Professionen, denn im Zuge der Industrialisierung und die wachsende Differenzierung auf dem Gebiet der Arbeitsteilung entstanden verschiedenste Professionen
- Anerkannte Kriterien für eine Profession sind:
- Universitätsausbildung
- Fachsprache
- spezialisiertes Wissen (systematisiertes Wissen / Wissenschaft)
- soziale Dienstorientierung
- Berufsethik/Kodex
- Selbstverwaltung / Disziplinarrecht
- Handlungsmonopol / Autonomie
- Berufsprestige
- Berufsorganisation / kollegiales Verhalten
Der Professionalisierungsprozeß ist ein dynamischer Vorgang, in dessen Verlauf ein Beruf zur Profession wird
Definition „Therapie“:
DUDEN: Heilbehandlung
nach LAUX: Inhalt und Ziel der psychiatrischen Therapie sind die Besserung, Heilung und Rückfallverhütung von psychischen Störungen. Sie basiert auf 3 Säulen:
- biologisch-somatische Therapieverfahren (v.a. Psychopharmakotherapie)
- Psychotherapie (auch psychiatrische Pflege)
- Soziotherapie (auch psychiatrische Pflege)
Berufliche Merkmale psychiatrischer Pflege
- Fachliche Fähigkeiten, Kenntnisse & Erfahrungen
- Kenntnis über bio-psycho-soziale Prägemechanismen
- Sorge für Gesundheit und leibliches Wohlergehen
- Flexibilität im Umgang mit Menschen, mit extremen psychischen Auffälligkeiten und Beziehungshindernissen
- Fähigkeit zur Teamarbeit - ggfs. Leitungsfähigkeiten
- Pädagogische Fähigkeiten
- Kontaktpflege mit den Angehörigen
- Kenntnis von Verwaltungsstrukturen
- Kenntnis von Recht und Gesetz
- Bereitschaft zur Innovation und Planung
Grundlagen psychiatrischer Pflege
- Allgemeine pflegerische Grundlagen
- Soziotherapeutische Anteile -das Bemühen um soziale Integration - die Förderung der sozialen Anpassung und der Leistungsfähigkeiten
- Psychotherapeutische Anteile für den Umgang mit Ängsten die Umwandlung von "Verhaltensstörungen" in brauchbare Alltagsstrategien
- Hilfe zur Selbsthilfe - EMPOWERMENT
- Beziehungs- und Milieugestaltung - die Gestaltung der therapeutischen Beziehung als Arbeit
Ziele psychiatrischer Pflege
- die Beziehung zu sich selbst und seiner Umwelt behalten und wiederfinden
- ein Höchstmaß an Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und Autonomie
- die Fähigkeit mit der Krankheit und den daraus resultierenden Konflikten und Einschränkungen umzugehen, Bewältigungsstrategien entwickeln
- das Leben, die Gesundheit erhalten, sich und andere nicht gefährden
- die Lebensqualität verbessern
Aufgaben psychiatrischer Pflege
- Wahrnehmen, Stärken und Fördern von Ressourcen und lebenspraktischen Fähigkeiten
- Tages- und Wochenstruktur im lebenspraktischen Bereich
- Pflege der Beziehung zu sich selbst und Anderen
- Herstellung eines förderlichen Milieus
- Beobachten und Wahrnehmen von Veränderungen
- Begleitung und Stützung in Krisen
- Kontakte zu Angehörigen
- Unterstützung bei somato- und psychotherapeutischen Verfahren
Pflegerische Ziele und Aufgaben sind mit
soziotherapeutischen Zielen und Aufgaben identisch !
Also viel Spaß im neuen Bereich, wenn Du Dich entscheidest, dort zu arbeiten.
Er ist anders...anders schön und anders anstrengend.
Aber das wirst Du merken...
Und wenn es nichts für Dich ist...na, dann einfach wieder wechseln...
Gruß,
Fragmentis
P.S.: Merke grad, daß dies mein 200er Beitrag ist...wow...und dann auch noch zu meinem Lieblingsthema "Psychiatrische Pflege"...ein Omen...grins
P.P.S.: Habe den Schritt in die Psychiatrie auch noch nie bereut wie auch Christa...denn in der psychiatrischen Pflege ist noch Pflege richtig Pflege, wenn ich die somatischen Kollegen so höre...