Hallo zusammen,
ich habe das Nachtcafé gestern Abend gesehen. Wie immer (ich sehe diese Sendung öfters) bestand die Diskussionsrunde aus unterschiedlichen Beteiligten die mit ihrer Sicht, dem Laien einen guten Überblick über die der verschiedenen Problematiken der betroffenen Gruppen, vermittelten. Es ist ja klar, dass es eine begrenzte Sendezeit gibt und einen Redebevorechtigten, der jedem Diskutanten auch nur eine begrenzte Redezeit zugestehen kann. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte fand ich die Diskussion gelungen, auch wenn nur an der Oberfläche der Thematik gekratzt wurde.
Ich finde, dass alle Probleme die wichtig waren angesprochen wurden und die ganze Diskussion lösungsorientiert angelegt war, die zum weiteren Nachdenken anregen soll.
Einleitend mit dem Bericht der Mutter, die durch Strukturmängel ihre Tochter verloren hat wurde gezeigt, dass das allzu gerühmte deutsche Gesundheitssystem unschuldige Opfer fordert. Mit der Fassungslosigkeit der Mutter, die wie ich finde ihr ins Gesicht geschrieben war, war kam zum Ausdruck, dass man über Nacht eine Betroffene werden kann, eine Betroffenheit, die man sich selbst vorher nicht vorstellen konnte. Man hatte sich darauf verlassen, dass dem eignen Kind eine schnelle Hilfe zuteil wird. Auch kam zum Ausdruck, dass so ein Ereignis jeden treffen kann und dass man dieser Situation völlig hilflos gegenüber steht.
Mit Frau Koppmann, die bis zu 90 Operationen hinter sich hatte wurde auch klar, dass Strukturmängel ein ganze Lebensplanung zerstören und letztlich unverschuldet zu einer Situation führen kann, in der man selbst seinen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten kann.
Herrn Simon veranschaulichte die Situation der Ärzte, die sich ähnlich die der Pflege darstellt. Gerade die Situation der Chirurgen, die zwischen Station und Op hin und her jonglieren müssen und die alle ihre Aufgaben nur halbherzig oder völlig übermüdet bewerkstelligen können und Patienten operieren müssen, die sie weder vorher gesehen haben noch nachher ärztlich betreuen können. Man kann sich vorstellen, dass dieses Fließbandoperieren zu großen Frustrationen und auch inneren Konflikten führen müssen. Da kann man auch verstehen, dass er eine Auslandsarbeit vorzieht, auch wenn er seine Familie zurück lassen muss. Interessant fand ich die Ausführungen über die abgeflachten Hierarchiestrukturen in Finnland.
Spiegelautor Herr Ludwig zeigte die Situation gerade junger Ärzte auf, die es immer noch mit Chefärzten zu tun haben, die sehr traditionsbehaftet sind und die sich in unsicheren Situationen nicht trauen einen Kollegen oder den Chefarzt selbst zu Rate zu ziehen, aus Angst vor einer schlechten Darstellung ihrer Person.
Herrn Schmitz, dem Geschäftsführer der Stuttgarter Klinik merkte man an, dass er zwar ein kühler, rationaler Rechner ist (war er auch sein muss), aber dass auch er in einzelnen Situationen gerne eine andere Entscheidung treffen würde, eine persönlichere, menschlichere, ihm aber die Hände gebunden sind. Er muss die finanzielle Situation der ganzen Klinik im Auge haben und der Erfolg seiner Arbeit wird nur in Zahlen gemessen, die er vorlegt. Da aber das Personal, die größte Gruppe im Krankenhaus, die meisten Kosten verursacht, ist er gezwungen Personal abzubauen, da ihm sonst die Schließung der Klinik droht - auch er in einer ständigen inneren Konfliktsituation. Mit der Teilnahme an der Demonstration bei Verdi aber brachte er seine Unzufriedenheit an den Missständen zum Ausdruck, was für einen Geschäftsführer sicher auch nicht selbstverständig ist.
Frau Schnell die die Pflege vertrat, wurde gleichberechtigt die gleiche Redezeit wie den Mitdiskutanten zugestanden und man überließ ihr den Schlusssatz. Frau Schnells ruhige und aufrechte Haltung hat mir sehr gut gefallen und auch ihrer zielgerichtete, adäquate Weise zu antworten. Sie brachte zum Ausdruck, dass man nicht in die Krankenpflege geht, weil man sonst nichts anderes bekommt, sondern aus Liebe zum Beruf mit allen seinen Höhen und Tiefen (es gibt immer noch Menschen die eine sauber und satt Mentalität haben und sich das nicht vorstellen können). Persönliche Erlebnisse haben sie motiviert diesen Beruf zu ergreifen. Sie bewies Solidarität gegenüber ihren KollegInnen indem sie nicht nur ihre persönliche oft aufwendige Arbeit auf der Intensivstation geschildert hat, sondern auch die Situation der Krankenpflegekräfte auf Normalstation beschrieb, die für die einzelnen Patienten noch weniger Zeit haben (diese Haltung ist auch nicht immer üblich). Gleichzeitig wies sie auf ihre gerade älteren KollegInnen hin, die mit dem Personalmangel noch schwerer zu Recht kommen.
Ich fand es gut, dass zwar der Personalmangel und die dürftige Bezahlung genannt wurden, aber nicht zum Aufhänger der Diskussion wurden. Mit einem Beispiel hat sie ihre Arbeit skizziert und auch auf ihre Regenerationszeit hingewiesen. Diese Gedanken ob sie alles richtig machte und auch nichts vergessen hat, begleiten sie im Frei und mit ihrem letzten Satz:
Ich kann nicht einen Patienten der nebenan um sein Leben kämpft liegen lassen um einen Patienten beim Sterben zu begleiten,
machte sie ihre inneren Konflikte deutlich, sich für einen Patienten entscheiden zu müssen und nicht allen gleich gerecht sein zu können. Sie muss täglich, wie viele andere Krankenpflegekräfte damit leben dass durch ihre Entscheidung der Nichtausgewählte zum Betroffenen wird.
Ich hatte im Verlauf der Diskussion den Eindruck, dass alle Teilnehmer interessiert an den Schilderungen des Sprechers waren und gespannt zuhörten, die sich in der Aussage von Herrn Simon:
Ich bin überrascht, vielleicht hat sich hier doch schon was getan, widerspiegelten. Vielleicht in der Hoffnung auch etwas Neues zu erfahren, das man sich für die eigene Situation zunutze machen kann.
Dieser gegenseitige Respekt der sich auch in dem ruhigen Ablauf der Diskussion bemerkbar machte, hat mir sehr gut gefallen.
Wenn man auch ab und zu das Gefühl der Oberflächlichkeit hatte, wurden alle zentralen Punkte angesprochen: Die Gefährdung und das Risiko der Patienten, die sich entweder in einem vorzeitigen Todesfall oder katastrophaler Lebensqualität äußern, den Verlust des Vertrauens in das Gesundheitssystem, die mangelnde und schlechte interdisziplinäre Kommunikation und Kooperation, die fehlende Transparenz, schlechte Führungsstile und subjektive Frustrationen aller Berufsgruppen und Beteiligten, die schlechte Personalsituation, die schlechte Bezahlung, die inneren Konflikte und das älter werden der Krankenpflegekräfte.
Man spürte eine Niedergeschlagenheit und eine Suche nach der Lösung. Trotz alledem spürte man aber auch ein Wille nicht aufzugeben und hier wurde Herr de Meo, der mit seinem Konzept das ja offensichtlich sehr erfolgreich zu sein scheint, ein klein wenig zum Hoffnungsträger für den Ausweg der Misere.
Mit dieser Diskussion wurde dem Außenstehenden klar, dass eine Lösung nur gemeinsam gefunden werden kann und es, wie es auch genannt wurde, nicht nur ein finanzielles Problem ist.
So das war’s von mir.
LG Sabine